Montag, 18. 4.
Nach meinem Erst-Besuch im Mai 2015 nun erneut in der
Stadt – wiederum voller Neugier, doch diesmal quasi „offiziell“.
Zu allererst die notwendigen Betuungen, um sich nun hier für fünf
Monate häuslich einzurichten. (Der beste Weg, den spirit of the
town zu erschnuppern.) Im Stipendiaten-Apartment im Stadtzentrum
funktioniert anfangs das Internet nicht, das Büro der Hausverwaltung
ist nicht besetzt – großkleine Katastrophe für einen, der doch
ansonsten so froh darüber ist, vor noch der digitalen Revolution
sozialisiert worden zu sein, nun aber für eine Weile ein
„Blog-Autor“ sein wird. Vergessen also all der Spott über
online-süchtige Nerds und asoziale Appholes, stattdessen eine
milde Form der Panik. Erkannt/gemildert und schließlich aufgelöst
von einer jungen Kiewerin, die nur zufällig im Büro ist, aber
sofort auf polnisch telefoniert und mir dann auf englisch das neue
Passwort übermittelt. (Eine deutsche Altersgenossin hätte mich
wahrscheinlich mit einem pampig-korrekten „Dafür werde ich nicht
bezahlt“ abgefertigt.)
Kurz darauf dann auch schon Besuch von meinem
Mit-Stipendiaten Jozsef Keresztesi, einem Dichter und Essayisten aus
dem ungarischen Pecs, der im gleichen Haus untergebracht ist. Wir
sprechen - wiederum auf englisch - ein bisschen über die in ihren
jeweiligen Ländern neumächtigen Herren K. und O., aber die Poesie
und die Poeten erweisen sich doch als berührenderes Thema: Jozsef
erzählt mir von einem Wroclawer Underground-Dichter, der in den
siebziger Jahren Selbstmord begangen hatte und über den ich mehr zu
erfahren hoffe. (Wie auch über so viele Lebende in der Stadt, die
mir von deutschen und polnischen Freunden empfohlen worden sind:
Die/den musst Du unbedingt treffen!)
Dem Rhythmus des langsamen Ankommens geschuldet, abends
dann – nach dem Wiedersehen mit dem wunderbar restaurierten Rynek –
eine Club-Tour der gemäßigten Art. Irgendwo dort an der Theke ein
kommunikationsfreudiger Mathematikstudent, der mir sogleich erzählt,
dass er das geplante neue Abtreibungsgesetz ablehne und zwar mit
Verweis auf die Entscheidungsfreiheit in der christlichen Ethik –
„denn selbstverständlich glaube ich an Gott“. Konklusion, so
ganz ohne ein Übermaß an Piwo: Liberale Gläubige sind spannende
Menschen. (Trifft man sie nur in Polen auch in Clubs?) Und bei alldem
genau das gleiche Vor-Gefühl wie letztes Jahr: Sieht ganz so aus,
als wäre ich in einer guten Stadt gelandet.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen