Seltsames Gefühl (wie immer in solchen Momenten wiederkehrend, nun schon seit Jahren): Vor Studentinnen und Studenten zu sitzen/zu lesen/zu reden anstatt in ihren Reihen interessiert oder auch skeptisch-spöttisch zu schauen, wer da vorn gerade das große Schriftsteller-Wort führt. Dabei hatte Monika Wolting die Lehrstunde denkbar unprätentiös gestaltet: Spannende, präzise Fragen und dazu per Beamer an die Wand geworfene Bilder "meiner" Städte - der Wohnort Berlin, die kambodschanische Reportage-Destination Angkor Wat, mein geliebtes Tel Aviv, und dazu nun auch für ein paar Monate Wroclaw. Kein germanistisches Fach-Chinesisch, kein kryptischer Akademismus. Aufmerksam sympathisierendes Zuhören der Studierenden (nach zig Veranstaltungen dieser Art bekommt man irgendwann ein Gespür dafür), doch danach ...
Nicht eine Nachfrage aus ihren Reihen. Vielleicht ja doch schüchterne Klosterschüler? Wer sich meldete, war ein Professor — und der kleine, in Deutschland aufgewachsene Sohn von Monika Wolting. "Sag mal, schreibst Du auch Kinderbücher? Wusstest Du schon als Junge, dass Du später mal Schriftsteller werden würdest?" Kluge, gewitzte Fragen — und der Blick in die offenen, freundlichen Gesichter des studentischen Publikums hätten eine Fortsetzung durchaus erwarten lassen. (Himmelherrgott, meine stille Überlegung, gibt´s hier nicht zumindest einen Studenten, der — einer guten alten Tradition folgend — sich durch ein paar provokative Fragen profilieren und bewundernde Frauenblicke kassieren möchte auf Kosten des meinungsfreudigen Typen da vorn am Prof-Tisch? Wie hätte mich derlei gefreut, mit solchen Riten im Westen sozialisiert. Dabei war ich, im Mai ´89 in die Bundesrepublik gekommen, anfangs ja sogar selbst ein wenig schockiert von einer öffentlichen Debattenkultur, bei der sich jeder zu Wort meldete — auch wenn er/sie anscheinend gar nix zu sagen hatte. Möchte seither aber gerade das nicht mehr missen.)
Nicht eine Nachfrage aus ihren Reihen. Vielleicht ja doch schüchterne Klosterschüler? Wer sich meldete, war ein Professor — und der kleine, in Deutschland aufgewachsene Sohn von Monika Wolting. "Sag mal, schreibst Du auch Kinderbücher? Wusstest Du schon als Junge, dass Du später mal Schriftsteller werden würdest?" Kluge, gewitzte Fragen — und der Blick in die offenen, freundlichen Gesichter des studentischen Publikums hätten eine Fortsetzung durchaus erwarten lassen. (Himmelherrgott, meine stille Überlegung, gibt´s hier nicht zumindest einen Studenten, der — einer guten alten Tradition folgend — sich durch ein paar provokative Fragen profilieren und bewundernde Frauenblicke kassieren möchte auf Kosten des meinungsfreudigen Typen da vorn am Prof-Tisch? Wie hätte mich derlei gefreut, mit solchen Riten im Westen sozialisiert. Dabei war ich, im Mai ´89 in die Bundesrepublik gekommen, anfangs ja sogar selbst ein wenig schockiert von einer öffentlichen Debattenkultur, bei der sich jeder zu Wort meldete — auch wenn er/sie anscheinend gar nix zu sagen hatte. Möchte seither aber gerade das nicht mehr missen.)
"In Polen ist das anders", erfahre ich danach. "Mit fünf Studierenden an einem Tisch wäre sofort eine Diskussion entstanden. Aber dass sich einer oder eine meldet — vor den ganzen Leuten?"
Interessant, denke ich, und: Wieder was dazu gelernt über verschiedene Mentalitäten. Wobei mir am plausibelsten jene Erklärung scheint, dass sich die jungen GermanistInnen vielleicht der erlernten Sprache noch zu unsicher seien, um sie auch coram publico zu verwenden. Hätten diese Scheu freilich nicht haben müssen — schon gar nicht bei mir, da ich doch sogar meine Muttersprache mit Akzent spreche, mit den permanent unsauberen A´s und O´s eines leider nicht zu eliminierenden sächsischen Dialekts.
Wie auch immer, es war ein schöner Vormittag. Den eigenen Namen auf einem Plakat im polnischen Instrumentalis zu sehen (eine Lesung mit Marko Martinem ...)! Den wunderschön restaurierten Innenhof der Fakultät zu entdecken, der einem Jahrhunderte altem Klostergarten gleicht und doch erst vor wenigen Jahren neu gestaltet wurde. Der gleiche Eindruck des becircend (Wieder-)Gemachten dann im Lesesaal der Polonistik: Stuckverzierte Barockpracht in von draußen hereinpfeilendem Sonnenlicht und ganz hinten, versunken in einem Samtsessel, ein Student mit Smartphone.
Dieser Zauber des vermeintlich Disparaten, Nicht- oder Halb-Authentischen, des Hinzugefügten oder Wiedergestellten oder neu oder anders Erdachten, diese sympathische Treue zu einer Tradition, wie sie heute interpretiert wird. (Wäre doch gelacht, bekäme man das mit dem Fragen und öffentlichen Uni-Debattieren nicht auch noch hin — gerade in einer Zeit, wo in ganz Europa sich jene das Lautsprecher-Monopol anmassen, denen geradezu widersprochen werden muss.)
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