Im LUNETA-Zelt.
Zum Selbstversuch im – wie´s so schön heißt – "interaktiven Raum", in einer "multimedialen Installation", einer … Womöglich also in einer Blase technizistischer Tüftelei? Nicht ganz, denn die blauen LUNETA-Zelte evozieren glücklicherweise vor allem Gedanken und Assoziationen, die gerade die Grenzen digitaler Perfektion offenbaren. Zwei dieser blauen, sechs Meter hohen und zwölf Meter breiten Kuppeln zieren bis zum 3. Juli die Bahnhofsvorplätze in Wrocław und an der Berliner Friedrichstraße.
Drinnen: Wandgroße Monitore, welche die jeweils andere Stadt in Echtzeit zeigen. Kameras, in denen man Berliner, Wrocławer und sich selbst sieht, dazu ein ausgefeiltes Soundsystem, damit man einander auch hören kann bei den zahlreichen Veranstaltungen/Lesungen/Konzerten/Podiumsgesprächen. Ersonnen hat diese Art real gewordene Jules-Verne-Phantasie der Berliner Filmemacher- und Theoretiker Volkmar Umlauft, und es war mehr als nur eine schöne Geste, das zum Veranstaltungsauftakt ein Ausschnitt aus dem demnächst erscheinenden Dokumentarfilm "Wir sind Juden aus Breslau" gezeigt wurde.
Unmöglich nämlich, von "Mobilität" zu sprechen und von Flucht, Vertreibung und Deportation zu schweigen. Wer in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Bahnhöfen von Breslau und Berlin zeitig genug in einen Zug gestiegen war, hatte die große Chance, zu überleben. Nicht zufällig steht an der Friedrichstraße – auf der anderen Seite der Gleise und des Bahngebäudes – eine Skulpturengruppe von Frank Meisler, welche an jenen "Kindertransport" von 1938 erinnert, dem auch Meisler das Überleben verdankt. Jüdische Eltern schickten damals ihre Kinder nach England, das für kurze Zeit seine Pforten ein klein wenig geöffnet hatte, damit wenigstens sie nicht ermordet würden. Die gleichen Skulpturen dann am Ankunftsort: London, Liverpool Station.
Und der Ort, der mich an all diese Verknüpfungen erinnert – eben jenes LUNETA-Zelt, in dem mich die Germanistin Monika Wolting kundig zu Literarischem und Politischem befragt und ich dem überschaubaren Publikum in Wrocław und Berlin Rede und Antwort stehe. Und doch mit den Gedanken, provoziert von eben diesem Bahnhofsvorplatz, ganz woanders bin oder besser: ganz in der Nähe. Erst am Vortag nämlich hatte mir einer der aufmerksamsten polnischen Leser meiner Blog-Einträge geschrieben: Er wohne in der Ulica Jednosci Narodwej, der ehemaligen Matthiassstraße, und sehe täglich die"Stolpersteine" auf dem Straßenpflaster vor dem Haus Nr. 95, welche an die 1943 deportierte deutschjüdische Familie Zorek erinnere. Doch nicht allein das: Die Zoreks hatten eine Etage über seiner jetzigen Wohnung gelebt. Und: Der von mir erwähnte Werner Zorek, der Dank des "Kindertransports" als einziger seiner Familie überlebt hatte, sei inzwischen zwar verstorben, habe aber einen Sohn in den USA, der Wroclaw bereits besucht hat – vielleicht möchte ich Michael Zorek ja mal per E-Mail kontaktieren. (Ein Loblied also auf die Technik, sofern sie das bleibt, was sie ist: Diener und Instrumentarium unserer menschlichen Existenz.)
Unmöglich nämlich, von "Mobilität" zu sprechen und von Flucht, Vertreibung und Deportation zu schweigen. Wer in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den Bahnhöfen von Breslau und Berlin zeitig genug in einen Zug gestiegen war, hatte die große Chance, zu überleben. Nicht zufällig steht an der Friedrichstraße – auf der anderen Seite der Gleise und des Bahngebäudes – eine Skulpturengruppe von Frank Meisler, welche an jenen "Kindertransport" von 1938 erinnert, dem auch Meisler das Überleben verdankt. Jüdische Eltern schickten damals ihre Kinder nach England, das für kurze Zeit seine Pforten ein klein wenig geöffnet hatte, damit wenigstens sie nicht ermordet würden. Die gleichen Skulpturen dann am Ankunftsort: London, Liverpool Station.
Und der Ort, der mich an all diese Verknüpfungen erinnert – eben jenes LUNETA-Zelt, in dem mich die Germanistin Monika Wolting kundig zu Literarischem und Politischem befragt und ich dem überschaubaren Publikum in Wrocław und Berlin Rede und Antwort stehe. Und doch mit den Gedanken, provoziert von eben diesem Bahnhofsvorplatz, ganz woanders bin oder besser: ganz in der Nähe. Erst am Vortag nämlich hatte mir einer der aufmerksamsten polnischen Leser meiner Blog-Einträge geschrieben: Er wohne in der Ulica Jednosci Narodwej, der ehemaligen Matthiassstraße, und sehe täglich die"Stolpersteine" auf dem Straßenpflaster vor dem Haus Nr. 95, welche an die 1943 deportierte deutschjüdische Familie Zorek erinnere. Doch nicht allein das: Die Zoreks hatten eine Etage über seiner jetzigen Wohnung gelebt. Und: Der von mir erwähnte Werner Zorek, der Dank des "Kindertransports" als einziger seiner Familie überlebt hatte, sei inzwischen zwar verstorben, habe aber einen Sohn in den USA, der Wroclaw bereits besucht hat – vielleicht möchte ich Michael Zorek ja mal per E-Mail kontaktieren. (Ein Loblied also auf die Technik, sofern sie das bleibt, was sie ist: Diener und Instrumentarium unserer menschlichen Existenz.)
So gehen die Gedanken im Kopf hin und her, während die Monitore die Berliner Friedrichstraße vom Mai 2016 zeigen, wo kaum noch etwas an die Vergangenheit erinnert – auch nicht an die jüngste, als im nahe gelegenen "Tränenpalast" Ostberliner DDR-Bürger Abschied von ihren in Westberlin lebenden Freunden und Verwandten nehmen mussten, deren S-Bahn-Fahrt hinüber in Richtung Bahnhof Zoo eine Spazierfahrt in die Freiheit war (auch wenn dies damals womöglich nicht alle Westler kapiert hatten).
"Da wo die Friedrichstraße sacht/ den Weg über das Wasser macht …" Sieh an: Die Worte und die Melodie von Wolf Biermanns wohl berühmtestem Song vom "Preußischen Ikarus" sind ja auch noch im Gedächtnis abrufbar! Dazu diese Prophezeiung des Dichters, den im Jahre 1976 (als in Polen die Oppositionsgruppe KOR gegründet wurde) die DDR-Machthaber ausgebürgert hatten: 1981 das Kriegsrecht verhängt, ein Traum brutal zerstört, doch Biermanns Gewissheit, den Herrschenden in Warschau furchtlos ins Gesicht gesungen: "Genau dieser Traum wird in Euren Kindern gegen Euch wieder auferstehen."
Wie es dann ja auch geschah, erinnert in einem blauen Kuppelzelt am Hauptbahnhof zu Wrocław, das schon aus diesem Grund wahrscheinlich ganz nützlich ist.
Wie es dann ja auch geschah, erinnert in einem blauen Kuppelzelt am Hauptbahnhof zu Wrocław, das schon aus diesem Grund wahrscheinlich ganz nützlich ist.
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